Berlinale 2001

"Frauen haben ein Talent, zu überleben"
Lena Olin über "Chocolat" und über ihren Mann, den Regisseur Lasse Hallström

Lena Olin, 1956 in Stockholm geboren, war schon eine erfolgreiche Schauspielerin, bevor sie nach Hollywood kam. In Schweden spielte sie Theater unter der Regie von Ingmar Bergman und drehte zahlreiche Filme. Zu sehen ist sie unter anderem in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" oder in "Havanna". In "Chocolat" spielt sie Josephine, die Außenseiterin im Dorf. Olin ist mit dem Regisseur des Films, Lasse Hallström, verheiratet.

Frau Olin, wofür steht für Sie in diesem Film die Schokolade?
OLIN:
Schokolade hat ja auch immer etwas Verbotenes an sich. Sie kann auch ein Symbol für Sünde, für einen Fehler sein. Genauso wie man heimlich zuviel Schokolade nascht, kann es vorkommen, daß man jemanden küßt, den man eigentlich nicht küssen sollte, daß man nackt schwimmen geht, weil einem danach ist. Schokolade kann für das Überschreiten von gewissen Schwellen stehen. Genauso geschieht es auch im Film in diesem Dorf: daß sie Dinge tun, die sie nicht tun sollen, die die Konventionen eigentlich verbieten. Die aber gut sind.

Bei "Chocolat" haben Sie zum ersten Mal bei einem Filmprojekt mit Ihrem Mann, dem Regisseur Lasse Hallström, zusammengearbeitet. Was für ein Mensch ist Lasse Hallström, war er am Set anders als privat?
OLIN:
Lasse ist als Mensch sehr komplex, er hat sehr guten Zugang zu seinen weichen Seiten, das macht ihn ja so interessant als Mann und so phantastisch als Regisseur. Das ist etwas Besonderes. Vor allem auch in den USA, wo wir ja leben, wo jedem Mann schon von klein an beigebracht wird: Wer weint – auch wenn er Schmerzen hat – ist auf jeden Fall schon mal schwul. Man muß an sich halten, darf keine Schwächen zeigen. Lasse aber hat Kontakt zu allen seinen Seiten, und das macht ihn erst recht stark, bei ihm sind die weiblichen und die männlichen Seiten in Harmonie. Mit ihm zusammenzusein, mit ihm zu arbeiten, ist wunderbar – als Frau und auch als Schauspielerin. Bei der Arbeit am Film hat sich das bestätigt: Er gibt einem den Raum, alles sein zu können, was man sein will, man hat bei ihm nie das Gefühl, das man zu klein ist oder zu schwach. Gerade diese unterschiedlichen Seiten machen einen Menschen ja erst aus.

Sie kommen aus dem Schweden. Konnten Sie sich gut in das katholische Dorf in der französischen Provinz einfühlen oder war das Ihnen sehr fremd?
OLIN:
Ich habe meine Rolle nicht so sehr in diesem Kontext gesehen, sondern mehr als eine Person, die außerhalb steht, die am Rand steht. Das Schicksal, Außenseiterin zu sein, gibt es überall, das finden Sie nicht nur in der Provinz. Außerdem bin ich natürlich sehr viel schon in Europa unterwegs gewesen, auch in Frankreich, so daß mir die Mentalitäten schon auch vertraut waren.

Chocolat erzählt die Geschichte von couragierten, resoluten Frauen. Woher, glauben Sie, holen die Frauen diesen Mut?
OLIN:
Ich glaube, das ist wirklich eine spezielle Kunst von Frauen. Man kann sie unter schlimmsten Bedingungen sehen, aber sie müssen immer noch aufstehen, für die Kinder sorgen, sie müssen das Leben am Leben halten. So war es zumindest seit Jahrhunderten, und so haben die Frauen ein gewisses Talent entwickelt. Wenn ich zurückschaue, meine Mutter, meine Großmutter, wenn ich andere Familien anschaue, da ist es etwas Wunderbares: Auch wenn eine Katastrophe hereinbricht – wenn sich Frauen zusammentun und sehr praktisch sind, dann sind das sehr wichtige Instrumente, um zu überleben. Eine besondere Stärke, die Frauen haben. Wir konnten im Film nicht so ausführlich darauf eingehen wie in der Romanvorlage, aber ich finde schon, daß diese speziell weibliche Stärke im Film gut rüberkommt.

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