Über
Leben
"Der Pianist" von Roman
Polanski
Manchmal will man aufspringen in diesem Film und laut schreien - so
unerträglich ist die Unmenschlichkeit, die Willkür und alles, wofür diese
Begriffe noch viel zu schwach sind. Für die Gnadenlosigkeit, mit der die
kaum begreifbaren Untaten der deutschen Besatzer in Warschau gezeigt
werden, muß man Roman Polanski
dankbar sein. Denn diese Gnadenlosigkeit
ist es, die den Zuschauer daran hindert, den "Pianisten", mehr im
Vorbeisehen, nur als 'einen weiteren' Film über diese historische Zeit zu
betrachten; sie hindert einen, die, wie es zunächst scheinen will, ja
mittlerweile oft gesehenen Kinobilder des Ghettos und des
Verfolgungsschicksals (man denke etwa an
"Jakob der Lügner", an "Schindlers Liste" oder "Gloomy
Sunday") an sich vorbeiziehen zu lassen,
ohne nur ansatzweise erschüttert zu werden wie beim ersten Mal.
Worum geht es? "Der Pianist" erzählt die Lebensgeschichte von Wladyslaw
Szpilman, der, im Polen der Dreißiger Jahre schon als Klaviervirtuose
gefeiert, auf den unwahrscheinlichsten Wegen, durch kaum zu glaubende
Zufälle, in der Zeit der deutschen Besatzung, des Warschauer Ghettos und
der Judendeportation mehrmals dem eigentlich sicheren Tod entgeht. Details
der Handlung zu berichten, ist kaum möglich und vor allem schade für den,
der den Film sehen möchte. Nur eins sei gesagt: Wüßte man nicht, daß "Der
Pianist" auf den wirklichen Memoiren des erst im Jahr 2000 verstorbenen
echten Wladyslaw Szpilman beruhte - die Handlung würde manchmal arg
konstruiert und etwas überladen erscheinen. In der Tat ist der Film auch
so hin und wieder etwas pathetisch geraten oder tappt dann doch in eine
Klischeefalle. Meistens aber, vor allem dank dem beeindruckenden
Hauptdarsteller Adrien Brody, gelingt die Kurve ins Schlichte und dabei
nicht weniger Ergreifende. Das unfaßbare Glücksgefühl, all diese
'Widrigkeiten' am Ende wirklich überlebt zu haben, läßt sich aber wohl
wirklich nur erahnen - daß hier, obwohl Regisseur Polanski als Kind selbst
nur mit Glück in Krakau überlebte, nicht emotional dick aufgetragen wird,
ist ganz groß. So gelingt ihm, wofür er in Cannes mit der Goldenen Palme
ausgezeichnet wurde, ein Film, der erschüttert, wütend macht, ergreift -
der aber nicht versucht, den Zuschauer mit dem emotionalen, dem
moralischen Holzhammer zu überwältigen.
Hartmut Burggrabe
Der
Pianist
von Roman Polanski - F/BRD/PL/GB
2002, 148 min |
°°°° |
mit Adrien
Brody, Thomas Kretschmann, Frank Finlay, Maureen Lipman, Ed
Stoppard, Julia Rayner, Jessica Kate Meyer, Emilia Fox, Ruth Platt
u.a. |
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