KRITIK

Dreiecksgeschichte im Auftrag Gottes
"Die Entdeckung des Himmels" von Jeroen Krabbé

Gott ist sauer. Die Menschen haben ihn enttäuscht. Folglich wird im Himmel wird beschlossen, den einst mit Moses geschlossenen Vertrag mit der Menschheit aufzukündigen. Ein kniffliger Fall, mit dem ein junger Nachwuchsengel beauftragt wird. Er muß auf der Erde
Enormes in Bewegung setzen, um jenen Menschen zur Welt kommen zu lassen, der imstande und dafür vorgesehen ist, die jahrtausendealten Gesetzestafeln ausfindig zu machen und dem Himmel zurückzugeben. Sein Rezept: Man veranstalte zwei große Weltkriege, führe eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen zwei gleichaltrigen Männern herbei und bringe die beiden mit einer geradezu überirdisch schönen Frau zusammen, auf daß aus den Genen aller drei der auserwählte junge Mann entstehe. Den statte man mit einem besonders hellen und feinsinnigen Geist aus und bringe ihn mit den Jahren Stück für Stück seiner vom Schicksal vorgesehenen 'Aufgabe' näher. Nun, auch für den Himmel, der doch einige Erfahrung mit Schicksal und Lenkung hat, ist dieser Auftrag ein ungewöhnlich aufwendiger. Gabriel, der autoritäre Vorgesetzte des jungen Engels, muß immer wieder seine Ungeduld im Zaum halten.
Doch das ist nur der eine Schauplatz dieses Films. Überwiegend erleben wir die Geschichte nach dem Roman von Harry Mulisch aus irdischer Sicht: Wir sind dabei, als Odo und Max sich kennenlernen, wir erleben mit, wie die cellospielende Studentin Ada in das Leben der beiden Freunde tritt. Und wir werden Zeugen der merkwürdigen Ereignisse und Umstände, unter denen Quinten, der außergewöhnliche Sohn, gezeugt und geboren wird, werden Zeugen der oft wundersamen, manchmal aber auch erbarmungslosen Entscheidungen des Himmels, der auf welchem Weg auch immer sein Ziel erreichen will.
Die Vertreter des Schicksals sind hier nicht unbedingt Sympathieträger. Und doch geht es in der "Entdeckung des Himmels" nicht um eine Parodie, schon gar keine respektlose, vielmehr ist es eine skeptische Replik auf den Stand der menschlichen Kultur nach zwei Jahrtausenden (und mehr) christlicher Kulturgeschichte. Und dazu schlicht eine turbulente Dreiecksgeschichte mit mythischem Fortgang.
Ein derart historisch beladene und differenziert gezeichnete Romanvorlage von xxx Seiten zu einem Kinofilm zu machen, ist ein ziemliches Wagnis. Überall lauern Gefahren der Verflachung, der Reduzierung auf spektakuläre Szenen und auf ein durch die Verkürzung arg konstruiert wirkendes Geschehen. Sicherlich kann Jeroen Krabbés aufwendige Verfilmung nicht mit der Komplexität des Romans mithalten. Nach einer reichlich hölzernen ersten halben Stunde, in der die drei Protagonisten eingeführt und etwas schnell miteinander verknüpft, verkuppelt werden, gewinnt "Die Entdeckung des Himmels" aber plötzlich an Fahrt und Spannung. Die recht miserable Qualität des Synchrontons ist vergessen. Der Film entwickelt einen Sog, der sich zum Ende hin immer mehr steigert und dem man sich nicht entziehen kann. So packen die Geschichte und ihre Figuren einen auch, wenn man den Roman (noch) nicht kennt.
Werden diese Menschen den himmlischen Plan durchschauen? Sind sie ihm bedingungslos ausgesetzt? Haben sie nicht einen freien Willen?
Bisweilen kommt man im Himmel ganz schön ins Schwitzen. Die drei Eltern durchkreuzen die Pläne immer wieder, also müssen sie unauffällig, aber unwiderruflich aus dem Weg geschafft werden. Max, der Astrophysiker, ist der Weltformel sehr nah auf den Fersen; Odo, der Lebemann, Intellektuelle und Politiker, behindert die 'richtige' Entwicklung des Auserwählten. Auch Ada wurde eigentlich nur als Medium zum Austragen des Kindes gebraucht.
Während Greg Wise (Max) und Flora Montgomery (Ada) immer wieder eher Schemen als Charaktere darstellen, bringt Steven Fry als Odo eine sehr persönliche Farbe in den Film und drückt dem Ganzen deutlich seinen Stempel auf. Alleine Fry macht diesen Film schon sehenswert. Wenn man sich dann noch gerne auf ein geistesgeschichtliches Experiment einläßt, das aber bei weitem nicht nur eine intellektuelle Spielerei ist, sondern auch ein Mystikdrama, dann wird man der "Entdeckung des Himmels" Einiges abgewinnen können.
Fabian Thommsen
 

Die Entdeckung des Himmels
von Jeroen Krabbé - Niederlande 2001, 132 min

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mit Stephen Fry, Greg Wise, Flora Montgomery, Neil Newbon, Emma Fielding, Diana Quick

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