Wenn
der Vorhang fällt
"Opening Night" von John
Cassavetes (ab 27.11.03)
Um es gleich zu sagen: "Opening Night" ist ein absolut großartiger Film.
Autor und Regisseur John Cassavetes erzählt darin von einer Frau, Myrtle
Gordon, einer gefeierten Film- und Bühnenschauspielerin, die während der
Arbeit an einem neuen Theaterstück in eine ernste Krise gerät. Ein
siebzehnjähriges Mädchen, leidenschaftlicher Fan von Miss Gordon, wird
überfahren, als sie nach einem deren umjubelten Auftritten ihrem Star
hinterherläuft. Mit diesem Abend beginnt der Film, und mit diesem Abend
setzt die existentielle Erschütterung ein, die Myrtle Gordon erfaßt. Was
genau diese Frau so gründlich aus der Bahn wirft, läßt sich erst nach und
nach erkennen. Auch ihre 'Familie', die Mitbewohner des Theaterkosmos' -
Produzent, Regisseur, Autorin, die anderen Darsteller, zwischen denen ein
komplexes Beziehungsgeflecht gewachsen ist - stehen vor einem Rätsel, dem
sie wechselweise mit Gesprächen, Genervtheit, Alkohol, Zärtlichkeit oder
Verdrängung gegenübertreten. Ein ganzes Bündel von Ursachen ist es, daß
Myrtle bedrängt, ein Bündel von Zweifeln, Einsamkeit, Hoffnungen,
Ereignissen und Einbildungen, und diese Vieldimensionalität ist eine große
Stärke des ganzen Films. Das Theaterstück, das geprobt wird, handelt vom
Altern einer Frau - zusammen mit dem Tod des jungen Mädchens und
verschiedenen Anläufen und Versuchen von Beziehungen ergibt das für Myrtle
Gordon eine explosive, oder genauer vielleicht: eine implosive Mischung.
An dieser Stelle vom Inhalt mehr zu verraten, wäre schade, denn gerade die
Ungewissheit und Unvorhersehbarkeit, wohin sich dieser Film mit all seinen
Figuren entwickelt, fesselt einen über die vollen 2 1/2 Stunden. Der Film
ist ernst, aber nicht triefend, konzentriert, aber leicht, manchmal zum
Lachen heiter und manchmal auch alptraumhaft düster. Eindeutigkeit gibt es
kaum, die Figuren untergraben ihre Worte oft im gleichen Moment mit einer
gegenläufigen Geste oder Mimik. Ohne Pathos, aber mit unglaublich
lebendigen, vielschichtigen Charakteren erreicht "Opening Night" eine
Dichte, die selten ist im Kino. Neben Cassavetes' warmem und zugleich
unbarmherzig präzisen Blick verdankt der Film das vor allem der Intensität
und dem Gesicht seiner Hauptdarstellerin, der schlicht und einfach
hinreißenden Gena Rowlands! Daß dieser Film, 1977 gedreht, erst 26 Jahre später den Weg in
deutsche Kinos findet (und leider nur in wenige), ist völlig unverständlich, für heute aber eine
Entdeckung und ein Lichtblick.
Hartmut Burggrabe
Opening
Night
von John Cassavetes -
USA 1977, 147 min (läuft als OmU) |
°°°°° |
mit Gena
Rowlands, John Cassavetes, Ben Gazzara, Joan Blondell, Paul Stewart,
Zohra Lampert, Laura Johnson, John Tuell, Ray Powers, John Finnegan,
Louise Fitch, Fred Draper |
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