IM KINO

Der real existierende Orgasmus
"American Pie" auf deutsch: Die Teeniekomödie "Mädchen Mädchen"
Von Hartmut Burggrabe


Inkens 18. Geburtstag läuft anders, als sie sich das so vorgestellt hat. Ihre Volleyballmannschaft verliert wieder einmal hoffnungslos, und das auch noch gegen das Team der arroganten Chayenne, der sowieso alles zu gelingen scheint: in der Kabine schwärmt sie von rauschhaftem Sex und multiplen Orgasmen, und dieses Thema läßt Inken und ihre Freundinnen den ganzen Tag nicht mehr los. Vickys Mutter, Psychologin, schenkt Inken ein "Aufklärungs"-Video über besseren Orgasmus zum Geburtstag, im Bett hat Inkens Freund Tim wieder einmal nur seine eigene Befriedigung im Sinn, und als Inken desillusioniert von der Party nach Hause kommt, ist Papa mit einer neuen Affäre im Bett.
Fortan fragen sich Inken, Lena und Victoria: Was ist eigentlich dran an diesem ominösen Orgasmus? Ist es wirklich so fantastisch, wie alle Welt sagt? Und wann werden wir es endlich selber erleben?
Die Suche der drei Freundinnen nach Antworten und dem Orgasmus führt über Kontaktanzeigen, Lesbenchats und Kondomspielchen. Inken macht mit Tim Schluß, nachdem sie mit dem Sattel ihres neuen Fahrrads den ersten Orgasmus erlebt hat; Vicky versucht es mit Partybekanntschaften und orientiert sich beim Sex wohl an Szenen, die sie in Filmen gesehen hat; und Lena, die bisher noch gar keinen Freund hatte, beginnt zögerlich eine Beziehung mit dem Sänger der Schulband, der anders ist als die anderen Jungs (siehe Foto).

Typen und Handlung sind hierbei sehr vorhersehbar. Vicky hat eine große Klappe, aber in Wirklichkeit noch nie guten Sex gehabt, Lena ist die unbedarfte, aber wahrhaftige. Chayenne ist die Schöne, auf die alle Männer fliegen. Überhaupt die Männer: es gibt den abgebrühten Playboy-Lover, den draufgängerischen Partyanbaggerer, den stupiden Spätpubertierenden, der keinen Sinn für die Bedürfnisse der Partnerin hat; dann ist da der gehemmte Computerfreak, der sich in der Theorie des Sex aber bestens auskennt, sowie der Nachbarsjunge, der die Machospielchen der anderen durchschaut und die langjährige Freundschaft zu Inken nicht durch Sex gefährden will. Schließlich noch der gefühlvolle Exot, der nur scheinbar coole Künstlertyp, der auch prompt das Herz des Mädchens erobert, das auf mehr aus ist als nur guten Sex.
Nach einigen Aufs und Abs (in mehrerer Hinsicht) und zahlreichen "peinlichen" Situationen kommt es natürlich zum guten Schluß. Inken, Lena und Vicky stehen jeweils am Anfang einer Beziehung, was mehr als den gesuchten Orgasmus in Reichweite rückt und sie schließlich sogar das Rückspiel gegen die Zicken-Mannschaft bravourös gewinnen läßt. Liebe setzt Energie frei, das hat man im Kino noch nie gesehen. Dennoch: Die eine oder andere Darstellerin wird uns bestimmt in weiteren Filmen begegnen. Karoline Herfurth als Lena etwa macht ihre Sache nicht schlecht.

Alles in allem wirkt "Mädchen Mädchen" vor allem wie eine Kopie des Teenieklamauks "American Pie", nur daß diesmal eben die weiblichen Vertreter im Mittelpunkt stehen. Szenen, Dialoge und Pointen wirken nicht selten aufgesetzt und auch realitätsfern, sind allerdings handwerklich gut arrangiert und werden die Zielgruppe bestimmt nicht verfehlen. 
Natürlich steckt hier und da ein Funken Wahrheit drin und die Story ist nett, bisweilen auch anrührend. "Mädchen Mädchen" bewegt sich aber zu sehr in Klischees und Oberflächlichkeiten, um als weibliche Antwort auf Hans-Christian Schmidts so sensibel und treffend beobachtenden Jungenfilm "Crazy" betrachtet werden zu können. Daß für dieses anbiedernde Komödchen derselbe Dennis Gansel verantwortlich zeichnet, der für das RAF-Nachfolge-Drama "Das Phantom" gerade erst den Grimme-Preis bekam, mag man kaum glauben. Positiv gesagt bescheinigt das dem Regisseur Vielseitigkeit.

MÄDCHEN MÄDCHEN
von Dennis Gansel - BRD 2001, 89 min

°°

mit Diana Amft, Felicitas Woll, Karoline Herfurth, Andreas Christ, Frederic Welter 

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