KURZKRITIK

Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen.
Wir wollen die ganze Bäckerei!

"Was tun, wenn's brennt?" von Gregor Schnitzler

Im Jahr 2000, das Neue Berlin macht sich längst breit, explodiert in einer lange leergestandenen Villa im noblen Grunewald ein Sprengsatz. Tim (Til Schweiger) und Hotte (Martin Feifel) trifft diese Nachricht wie ein Schlag. Tim und Hotte sind die beiden letzten Bewohner der Machnowstraße 12 - einst ein Zentrum der Hausbesetzerszene der 80er Jahre. Eins ist Tim und Hotte gleich klar: Der jetzt explodierte Sprengsatz stammt aus ihrer Werkstatt - 1988, vor zwölf Jahren also, haben sie ihn in der Villa deponiert. Und auf Film festgehalten haben sie das Ganze auch. Der Innensenator hat auch gleich den richtigen Riecher: der alte Manowsky (Klaus Löwitsch), ebenfalls ein Veteran der 80er-Jahre-Kämpfe, wird mit dem Fall beauftragt und ordnet Hausdurchsuchungen in allen verdächtigen 'Objekten' an. Beschlagnahmt wird dabei unter anderem jener 'Lehrfilm' (Wie bastle ich mir eine Bombe?). Die Hausbesetzer haben nun also ein Problem. Ein großes. Tim und Hotte, diese letzten Mohikaner Berlins, machen sich schleunigst auf die Suche nach ihren alten Mitstreitern. Lange gibt es schon keinen Kontakt mehr - und für Überraschungen ist gesorgt: Maik (Sebastian Blomberg) ist jetzt Chef einer erfolgreichen Werbeagentur, fühlt sich pudelwohl im Neuen Markt, und nimmt so ziemlich nichts mehr wirklich ernst. 'Terror' (Matthias Matschke) ist Volljurist - gegen geltendes Recht zu verstoßen ist so ziemlich das Letzte, was er sich vorstellen kann. Und Nele (Nadja Uhl) ist als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern mit dem Lebenskampf mehr als ausgelastet. Auch Flo (Doris Schretzmayer), Tims alte Liebe, taucht noch auf, im schicken Mercedes Kombi, den sie aber lieber erstmal versteckt vor den anderen.
Wenigstens für kurz muß das Sextett jetzt noch einmal zusammenfinden - es gilt, die Spuren der Vergangenheit zu beseitigen, mit denen schließlich gerade die Arrivierten nicht leben wollen. Nur wie bekommt man das Beweismaterial aus dem Zentrallager der Berliner Polizei heraus?
"Was tun, wenn's brennt" ist einfach gut. Aus mehreren Gründen: der Film badet nicht in Nostalgie (kommt sogar ohne einen einzigen Ton "Ton Steine Scherben" aus!), sondern schlägt wirklich überzeugend die Brücke nach heute, in die Gegenwart. Trotzdem denunziert er die Hausbesetzer nicht als ewiggestrige Spinner, als hängengebliebene Chaoten - er zeichnet sie mit Sympathie, und dennoch mit Humor. Und auch die, die 'es' geschafft haben, die jetzt als Protagonisten der hippen Neuen-Mitte-Gesellschaft durch die Welt wandeln, sind nicht klischeehaft überzeichnet - ihr Weg wirkt nicht unwahrscheinlich, sondern ist nachvollziehbar.
Und dann vor allem eins: Der Film macht einfach Spaß. Er ist herrlich politisch unkorrekt. Die Polizei IST einfach auf der falschen Seite. Und die Hausbesetzer: sie sind die Helden, ihnen gehören die Sympathien, und ihre Konsequenz bringt einen als Zuschauer dann bei allem Spaß auch zum Nachdenken.
Als man aus dem Kino kommt, hängen davor Plakate an den Wänden, die zur Soli-Kundgebung aufrufen: Rettet die Rigaer 94 - eines der letzten gemeinschaftlich bewohnten Häuser in Berlin. Hier sollen die Nachfolger der Besetzer, heute mit Rahmenvertrag in der Tasche und Kulturzentrum im Haus, vom neuen Besitzer rausgeschmissen werden. Genau wie im Film. Nur wirklich. Filme über die DDR, über die Weimarer Republik zu machen, ist heute nichts Besonderes mehr. Konflikte, die immer noch aktuell sind, zu thematisieren, sie zum Gegenstand eines unterhaltsamen Films zu machen und dabei den Outlaws Recht zu geben - das tut einfach gut. Das alles und noch viel mehr... macht den Film sehenswert.
Hartmut Burggrabe
 

Was tun, wenn's brennt?
von Gregor Schnitzler - BRD 2002,  101 min

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mit Til Schweiger, Martin Feifel, Sebastian Blomberg, Nadja Uhl, Doris Schretzmayer, Matthias Matschke, Klaus Löwitsch u.a.

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